Geplante Obsoleszenz: Mindesthaltbarkeitsdatum verkürzt Lebensdauer von Nahrungsmitteln  [14.03.17]

Die halbvolle Druckerpatrone streikt, und für den kaputten Staubsauger gibt es keine Ersatzteile: Geplante Obsoleszenz nennen es Ökonomen, wenn die Lebensdauer von Objekten absichtlich verkürzt wird. Ob es dieses Phänomen auch bei Lebensmitteln gibt, untersucht ein Humboldt reloaded-Projekt. Die Studierenden finden heraus, dass besonders das Mindesthaltbarkeitsdatum offenbar dazu beiträgt.

Foto: Universität Hohenheim, Dorothea Elsner


Joghurt wird nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums weggeworfen, obwohl er noch gut ist, und in der Saftpackung bleibt immer ein Rest – das ist eine die Verschwendung von Lebensmitteln und ihrer Verpackung. Jana-Lisa Ding und Philipp Feisthauer wollen in ihrem Humboldt reloaded-Projekt erkunden, ob dies von den Herstellern bzw. Händlern beabsichtigt und von den Verbrauchern nicht bedacht ist oder ob es in der Natur eines Lebensmittels liegt, zu verderben. Mit anderen Worten: Ob man bei Lebensmitteln auch von geplanter Obsoleszenz sprechen kann.

Obsoleszenz ist definiert als Verschleiß oder Verderb von Dingen und wird meist in Zusammenhang mit Konsumgütern und technischen Geräten gebraucht. Wenn die Lebensdauer kürzer ist als erwartet, spricht man von geplanter Obsoleszenz. Moden, Innovationszyklen oder minderwertige Materialien und Verarbeitung gelten dabei als Treiber.

Arbeitsbericht Obsoleszenz

Ein Arbeitsbericht zum Thema ist in Vorbereitung und erscheint in Kürze:

Gebhardt, B., Ding, J. und Feisthauer, P. (2017): Obsoleszenz – auch ein Thema bei Lebensmitteln. Ergebnisse einer Expertenbefragung. Hohenheimer Agrarökonomische Arbeitsberichte Nr. 27, Stuttgart-Hohenheim. 116 Seiten


Obsoleszenz ist auch Thema bei Lebensmitteln

Um dem Phänomen auch im Lebensmittelbereich auf den Grund zu gehen, führen die beiden Studierenden insgesamt 19 Interviews mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis. Die meisten Befragten sind sich in einem Punkt einig: Sie betonen, dass der Begriff Obsoleszenz durchaus auch bei Lebensmitteln anzuwenden sei – auch wenn Food-Waste bisher nicht in die wissenschaftlich und politisch geführte Obsoleszenz-Debatte eingegangen ist.

Viele halten das für ein sehr wichtiges Thema, das angesichts steigender Lebensmittelverschwendung weiter erforscht werden sollte. Obsoleszenz und Verschwendung gelten als eng verwandte Themen, was die Differenzierung der beiden Begriffe zum Teil erschwert. Die Mehrzahl der Befragten erachtet es für notwendig, zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu unterscheiden.

In der Verantwortung sehen sie oft Hersteller und Händler, teils auch Verbraucherinnen und Verbraucher und etwas seltener die Landwirtschaft. Außerdem fördern gesellschaftliche Rahmenbedingungen sowie zu ungenaue oder gar kontraproduktive staatliche Regelungen und Normen den vorzeitigen Verderb und zu hohe Mengen an Lebensmittelabfällen.

Humboldt reloaded – Wissenschaft von Anfang an

Das preisgekrönte Projekt der Uni Hohenheim will Studierende durch forschungsnahes Lernen bereits im Bachelorstudium für die Wissenschaft begeistern. Die Studierenden bearbeiten Forschungsfragen in kleinen Teams und werden dabei optimal betreut.


Lebensdauer von Lebensmitteln wird bewusst verkürzt


Als wesentlicher Faktor des frühzeitigen Verschleißes bei Lebensmitteln gilt vor allem das Mindesthaltbarkeitsdatum: Es fehlen genaue rechtliche Vorgaben. Die Festlegung von Seiten der Hersteller wird damit willkürlich. Fehlinterpretationen der Verbraucherinnen und Verbraucher machen es Herstellern und Handel möglich, diese Angabe gezielt zur Mengen- und Gewinnsteigerung einzusetzen.

Doch es gibt auch noch andere Beispiele geplanter Obsoleszenz bei Lebensmitteln: Minderwertige Zutaten, Convenience-Produkte, Trends oder eine geringere Wertschätzung von Lebensmitteln mit optischen Mängeln führen die Befragten an. Auch Material und Form der Verpackungen spielen aus ihrer Sicht eine bedeutende Rolle.

Angesichts hoher Ressourcenverbräuche durch unnötig weggeworfene Lebensmittel sowie globale Unterschiede in der Ernährungsversorgung fordern die Experten Lösungen, die an der gesamten Wertschöpfungskette ansetzen. Verbraucher sind dabei nur eine Gruppe neben anderen, um zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen beizutragen, und nicht länger alleine in den Vordergrund der notwendigen Lösungsansätze gestellt.

Text: Elsner

Humboldt-Projekt: Obsoleszenz – Auch ein Thema bei Lebensmitteln?!
Studierende: Jana-Lisa Ding, Philipp Feisthauer
Projektbetreuerin: Beate Gebhardt
Laufzeit: 26.10.2015 – 30.9.2016


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