Die Humboldtsche Bildungsreform

Wilhelm von Humboldt, 1767 geboren, initiierte als Bildungsreformer die Neuorganisation des Bildungswesens.

Für ihn war die Sache klar, das Studium solle allein der Wissenschaft verpflichtet sein, die Aufgabe der Universitäten sei die umfassende Vermittlung von Bildung. Wissen ist nichts Statisches, sondern es verändert sich andauernd und der Erkenntnisprozess ist nie abgeschlossen. Daher sollten Studierende nicht Stoff, sondern Forschen lernen.

Doch an den später neu gegründeten Universitäten klafften Anspruch und Wirklichkeit deutlich auseinander. Erste echte Forschungsbezüge im Studium erlebten die Studierenden meist erst im Zusammenhang mit ihren wissenschaftlichen Abschlussarbeiten. Davor wurden in Vorlesungen, Seminaren, Übungen und Praktika sehr häufig standardisierte Lehrinhalte und Methoden vermittelt, die sich die Studierenden anzueignen hatten.


Die Bologna-Reform

Die Bologna-Reform um die Jahrtausendwende sorgte dafür, dass endlich über die Qualität in der Lehre diskutiert und gestritten wurde. Doch leider ist die Lehrqualität auch heute noch in vielen akkreditierten Studiengängen nicht gesichert, ein Praxisbezug an Universitäten kaum ersichtlich.

Universitäten glänzen mit ihrer Forschungsleistung. Diese Stärke in den Vordergrund der universitären Lehre zu stellen, ist ein Gebot der Stunde. Es ist Utopie, das disziplinäre "Wissen" in seiner Breite und Tiefe in einem Studium zu vermitteln. Forschungskompetenz hingegen schon und das bedeutet: Forschen lernen im humboldtschen Sinne.


Forschen muss man einüben!

Forschen beibringen auch. Will man Forschendes Lehren und Lernen (FLL) betreiben, bedeutet dass, die Projekte ändern sich von Jahr zu Jahr. Neue Fragen tauchen auf oder neue methodische Ansätze. Das Lehren wird nie statisch, sondern bleibt anhaltend dynamisch.

Dennoch (oder deswegen?) ist FLL im Wesentlichen ein Nischenprodukt geblieben.

Eine kleine Universität am Rande von Stuttgart im Süden der Bundesrepublik wollte sich trotzdem mehr auf FLL fokussieren und startete 2003 zunächst mit "Freiwilligen Kleingruppenprojekten" im Biologiestudium als Blaupause für Humboldt reloaded.


Der Weg zu Humboldt reloaded

Studierende sollten im dritten und vierten Semester die Möglichkeit haben, in Gruppen von 2-4 Personen an einem Projekt mitzuarbeiten, das in der Regel von Doktorandinnen oder Doktoranden betreut wurde und das direkt an die Promotionsarbeiten angeschlossen war.

Bis 2010 haben zwischen 40 bis über 90 % der Studierenden diese Möglichkeit genutzt. Und das, obwohl diese Projektarbeiten nicht als Studienleistung anerkannt wurden!

Die Teilnehmenden waren durchweg begeistert und würden sich jederzeit wieder für ein freiwilliges Projekt entscheiden.

Ihre Gründe:

  • der Blick hinter die Kulissen
  • der Kontakt mit "echten" Wissenschaftlern
  • die Freude am Forschungsprozess

Auch die Erfahrung – wie das in der Wissenschaft ebenso ist –, dass viele Experimente nicht auf Anhieb funktionieren, hat nicht abgeschreckt.

Als 2011 der Qualitätspakt Lehre an den Start ging, hatte sich die Universität Hohenheim dafür entschieden, die erfolgreiche Idee der freiwilligen Bio-Projekte auf die ganze Universität auszuweiten.

Das Antragskonzept wurde in der Universität breit abgestimmt und erhielt die Unterstützung aller studentischen Organe. Und es war erfolgreich.

Die kleine Universität mit ihren heute knapp 10.000 Studierenden erhielt für ihr Projekt "Humboldt reloaded – Wissenschaftspraxis von Anfang an" rund 15 Millionen Euro im Zeitraum 2011-2020.


Humboldt reloaded – eine Erfolgsgeschichte

Neben der Möglichkeit für alle Studierenden der Universität Hohenheim, bereits im Bachelorstudium Forschungserfahrung machen zu können, wurde den Studierenden auch noch der Erwerb vieler für das weitere Wissenschaftsleben wichtiger Fertigkeiten ermöglicht.

  • Schreibwerkstatt zum Erlernen wissenschaftlichen Schreibens
  • Peer Teaching zur Förderung der Wissensvermittlung zwischen den Studierenden
  • zahlreiche Seminare innerhalb der Lernwerkstatt, z.B. zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben, dem Erstellen von Abschlussarbeiten, Zeit- und Stressmanagement, Lerntechniken und Gedächtnistraining.
    Das aktuelle Angebot finden Sie im Weiterbildungsportal der Universität F.I.T

Insgesamt haben bis 2020 über 5.000 Studierenden in über 1.500 Projekten erste Erfahrungen als Forscher gesammelt.
So mancher Studierende hat dabei seien Passion gefunden, wurde für eine Abschlussarbeit angeworben oder hat eine Stelle als studentische Hilfskraft erhalten.

Natürlich gab es auch Studierende, welche nach ihrem Humboldt reloaded Projekt klar wurde, dass sie nicht für die Forschung gemacht sind.
Auch dies kann als Erfolg betrachtet werden. Sich in jungen Jahren und früh im Studium darüber klar zu werden, wo einen die Reise hinbringen soll, ist ein Ziel und Erfolg von Humboldt reloaded.

Humboldt reloaded-Jubiläumsband


... und es geht weiter

Nachdem auch die Universitätsleitung von diesem Format überzeugt ist, gab es 2020 die freudige Nachricht über die Aufnahme von Humboldt reloaded ins Curriculum.
Ab 2021 wird Humboldt reloaded ein eigenes Referat innerhalb der Abteilung Studium & Lehre darstellen.

 

Basiert auf:
Blum, M. (2016). Frühe Forschungserfahrungen im Bachelorstudium sind möglich und nötig. In Lemmens, M. (Hrsg.): Wissenschaftsmanagement. Handbuch & Kommentar. Lemmens Medien Bildung, Forschung, Technologie. Bonn, Berlin, New York.


Bereich für Projektbetreuende

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