Ausgeklügelte Planung: Mittels Software gegen Mangelernährung  [03.07.17]

Schwangere, Stillende und kleine Kinder – diese Bevölkerungsgruppen sind in vielen Entwicklungsländern besonders von Mangelernährung betroffen. Studierende analysieren in mehreren Humboldt reloaded-Projekten die Möglichkeiten, die sich Äthiopien, Ostkongo und Indien bieten – und entwickeln Ernährungspläne und Rezepturen, die mit günstigen, lokal verfügbaren Lebensmitteln den Ernährungsstatus erheblich verbessern könnten.

Foto: clipdealer.de


Mangelernährung ließe sich oft mit einfachen Mitteln lindern. Wenn die Nährstoffgehalte der lokal verfügbaren Lebensmittel beim Ernährungsplan berücksichtigt würden, könnte das Defizit an Mikronährstoffen in vielen Fällen reduziert werden. Humboldt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer betrachten den Nährstoffbedarf von Schwangeren und Kindern in den ersten Lebensjahren, gleichen diese mit den Inhaltsstoffen der vorhandenen Lebensmitteln in verschiedenen Ländern ab und erstellen mit Hilfe einer Ernährungssoftware Tagespläne.

Hintergrund

Die Entwicklung therapeutischer Rezepte zur Schließung von Nährstofflücken in der AG International Nutrition geht bereits auf die Diplomarbeit von Olga Shapiro im Jahre 2008/2009 zurück und war als Vorbereitung auf die PhD-Arbeit von Dr. Ratna Purvestri gedacht. Ratna selbst und weitere BA- und MA-Studentinnen haben die Rezepte weiterentwickelt und auch auf den präventiven Bereich ausgedehnt. Erst danach wurde dieses Konzept auch in Humboldt reloaded-Arbeiten übernommen.


Ihre Erkenntnis: Traditionelle Rezepte lassen sich durch geschickte Kombination und Ergänzung so aufwerten,  dass Defizite vor allem bei den Mikronährstoffen oft ausgeglichen werden können.

Schwangerschaft: Tagesplan für schwangere Frauen in Äthiopien

Die Studentinnen Christine Witzemann und Lea Appenzeller beschäftigen sich mit einer möglichen Verbesserung des Ernährungszustandes von schwangeren Frauen in Äthiopien. Ihr Ziel: Rezepte für drei Hauptmahlzeiten und mögliche Snacks mit möglichst ausgeglichenem Mikro- und Makronährstoffgehalt. Anhand von Tabellen und Datenbanken stellen sie diese mit lokal verfügbaren Lebensmitteln zusammen, kochen und verkosten sie.

Die Rezepte erfüllen die Ansprüche: Bezogen auf die erreichte Gesamtkalorienzahl stellen die Makronährstoffe anteilig mit 54,0 % Kohlenhydraten, 12,9 % Protein und 32,9 % Fett die Energie bereit. Die empfohlenen Mengen an Mikronährstoffen werden weitgehend zufriedenstellend erreicht. Hervorzuheben sind Vitamin A und Eisen: Letzteres kann vor allem durch die Kombination mit Vitamin C – aus Citrusfrüchten wie Orange in einem der Soßenrezepte – besser resorbiert werden. Und die verwendeten Vitamin A-reichen Lebensmittel wie Ei, Frischkäse und Spinat tragen zu einer guten Erfüllung des Referenzwertes bei.

Stillzeit: Muttermilch bietet nicht unbedingt alle Nährstoffe

In einer Literaturstudie betrachten Alena Heitz und Charlotte Rinne die Frage, wie sich Mangelernährung bei einer stillenden Frau auf die Zusammensetzung der Muttermilch auswirkt. Ihre Erkenntnisse sind alarmierend: Ist die Mutter unterernährt, nimmt auch die Konzentration der wasserlöslichen Mikronährstoffe in der Muttermilch signifikant ab. Fettlösliche Vitamine und Mineralstoffe sind dagegen weniger betroffen.

Vitamin D, Folsäure, Kalzium, Eisen, Kupfer und Zink sind meist in ausreichendem Maße in der Muttermilch enthalten, eine Nahrungsergänzung ist nur erforderlich, wenn die Mutter schwere Mangelsymptome zeigt. Im Gegensatz dazu sinken die Konzentrationen von Vitamin A, Vitamin B1, B2 und B12, Jod und Selen drastisch bei einem Defizit der Mutter.

Die ersten beiden Jahre: Rezepte für Kleinkinder im indischen Bundesstaat Westbengalen


Kinder im Alter von 1-2 Jahren im indischen Westbengalen sind die Zielgruppe des Humboldt-Projektes von Emilie Lindheimer. Sie will Gerichte entwickeln, die dazu beitragen können, die Nährstoff-Lücke der Kinder zu decken. Die Studentin stellt mit Hilfe einer Software geeignete Gerichte zusammen. Dazu verwendet sie regionale Lebensmittel aus Westbengalen und berücksichtigt auch finanzielle und saisonale Aspekte.

Ihre Rezepte decken den Bedarf an den meisten Nährstoffen zufriedenstellend. So werden die Kinder zum Beispiel in Hinblick auf Eisen zu 25 % durch Beikost und Stillen, zu 46 % durch „Reis mit Kohl-Linsengemüse“ und zu 40 % durch „Mango-Kürbis-Bällchen“ versorgt. Lediglich der Bedarf an Zink und Jod wird nur unzureichend gedeckt, so dass eine Supplementierung oder Gabe von therapeutischer Nahrung in Betracht gezogen werden muss. Doch die Gerichte stellen eine klare Verbesserung des Tagesplanes eines 1-2 jährigen mangelernährten Kindes in West Bengalen dar.

2 bis 3 Jahre: Gegen Mangelernährung von Kindern in Äthiopien


Auch in Äthiopien leiden bereits Neugeborene und Kleinkinder unter einer nicht ausreichenden Versorgung mit Nährstoffen wie Folsäure, Vitamin A, B6 und B12. Sophia Hahn und Jule Gerwens wollen in ihrem Humboldt-Projekt einen bedarfsdeckenden Tagesplan für Kinder im Alter von 2-3 Jahren entwickeln – mit drei Hauptmahlzeiten, Snacks und der Besonderheit, dass anzunehmende Essensreste zu einer anderen Mahlzeit weiter verarbeitet werden. Eingang finden ausschließlich regional verfügbare und kostengünstige Produkte. In einem praktischen Kochversuch mit Verkostung äthiopischer Kommilitonen testen die beiden Studentinnen die Rezepte auch hinsichtlich der lokalen Akzeptanz.

Humboldt reloaded – Wissenschaft von Anfang an

Das preisgekrönte Projekt der Uni Hohenheim will Studierende durch forschungsnahes Lernen bereits im Bachelorstudium für die Wissenschaft begeistern. Die Studierenden bearbeiten Forschungsfragen in kleinen Teams und werden dabei optimal betreut.


Es gelingt den beiden, eine weitestgehend ausgewogene Ernährung zu gestalten. Ebenso wie beim Westbengalen-Projekt stellt allerdings auch hier Zink ein Problem dar - der Rezeptplan erreicht lediglich 4,3 mg Zink, 12 mg werden empfohlen. Supplemente wären also erforderlich.

5-Jährige: Ernährungspläne für Kinder im Ostkongo


Zwei bedarfsdeckende Tagespläne für Kinder im Alter von 5 Jahren im Kongo sind das Ziel des Humboldt-Projektes von Dora Done und Anne Gipperich. Mittels Ernährungssoftware erstellen sie Rezepte, teilweise in Anlehnung an traditionelle kongolesische Gerichte wie beispielsweise das Mittagessen Saka Saka oder Kabalagala, eine Art Pfannkuchen aus Banane und dem dort üblichen Cassavamehl. Die neu entwickelten Rezepte kochen die Studentinnen nach und bitten unter anderem eine kongolesische Kollegin zu einer kleinen Verkostung.

Die Gerichte werden als gutschmeckend und als geeignet auch für ein 5-jähriges Kind beurteilt. Auch die Referenzwerte der kritischen Nährstoffe werden in den erstellen Tagesplänen mit je einer Ausnahme (Eisen und Calcium) zu 100 % oder mehr erfüllt, und auch Eisen und Calcium können durch den jeweils anderen Plan kompensiert werden.

Text: Elsner

Humboldt-Projekt: Entwicklung von Rezepten für schwangere Frauen in Äthiopien (Tagesplan)
Studierende: Christine Witzemann, Lea Appenzeller
Projektbetreuerin: Caroline Stiller
Laufzeit: Wintersemester 2015/16

Humboldt-Projekt: Maternal malnutrition: effects on breastmilk composition – a literature review
Studierende: Alena Heitz, Charlotte Rinne
Projektbetreuerin: Caroline Stiller
Laufzeit: Sommersemester 2016

Humboldt-Projekt: Design of supplementary meals for breastfed infants best fulfilling the nutrient gap, West
Bengalen, India
Studierende: Emilie Lindheimer
Projektbetreuerin: Caroline Stiller
Laufzeit: Sommersemester 2016

Humboldt-Projekt: Entwicklung von Rezepten für mangelernährte Kinder in Äthiopien
Studierende: Sophia Hahn, Jule Gerwens
Projektbetreuerin: Caroline Stiller
Laufzeit: Wintersemester 2015/16

Humboldt-Projekt: Verbesserung der lokalen Ernährung zur Prävention von moderater Mangelernährung bei
Kindern unter 5 Jahren im Ostkongo
Studierende: Dora Done, Anne Gipperich
Projektbetreuerin: Damaris Beitze
Laufzeit: Sommersemester 2016


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