Paketdienst in der Zelle: Dynamitin bringt Farbe in Frosch-Embryonen  [09.12.16]

Der Name täuscht: Dynamitin explodiert nicht. Im Gegenteil, eine durchschlagende Wirkung zeigt sich erst, wenn man es ausschaltet. Denn Dynamitin ist Bestandteil eines Transport-Bausteins in der Zelle und unter anderem an der Entwicklung von Embryonen beteiligt. In einem Humboldt-Projekt untersuchen zwei Studierende, was mit Frosch-Embryonen passiert, wenn man Dynamitin blockiert. Das Ergebnis lässt den Frosch-Nachwuchs ganz schön blass aussehen.

Ausgewachsener Krallenfrosch | Foto: Universität Hohenheim, Astrid Untermann


Der afrikanische Krallenfrosch hat mit uns Menschen genetisch eine Menge gemein. So viel sogar, dass er in Forscherkreisen oft als Modell dient, um grundlegende Fragen zur Bildung und Funktionsweise der menschlichen Organe zu beantworten. Auch in Hohenheim nutzt die Wissenschaft Embryonen dieser Froschart. Die Studierenden Advaita Dick und Nicole Heinrich erforschen an ihnen in einem Humboldt-Projekt, welche Funktion Dynamitin bei der Embryonalentwicklung hat – mit unerwartetem Ergebnis.

Dynamitin ist gewissermaßen Bestandteil eines zelleigenen Paketdienstes: Wenn in der Zelle etwas transportiert werden soll, erledigt dies das Transportprotein Dynein. Als Verbindungsstück zwischen der Ladung und dem Dynein dient ein Multiproteinkomplex namens Dynactin. Und dieser wiederum hat eine wichtige Untereinheit – das Dynamitin. Wenn man dieses Dynamitin gezielt ausschaltet, ist kein Transport in der Zelle mehr möglich.

Chemische Substanz schaltet Dynamitin aus

Humboldt reloaded – Wissenschaft von Anfang an

Das preisgekrönte Projekt der Uni Hohenheim will Studierende durch forschungsnahes Lernen bereits im Bachelorstudium für die Wissenschaft begeistern. Die Studierenden bearbeiten Forschungsfragen in kleinen Teams und werden dabei optimal betreut.


Die Studierenden verwenden Frosch-Embryonen in verschiedenen Entwicklungsstadien. Um das Dynamitin zu blockieren, setzen sie eine Substanz ein namens Nordihydroguajaretsäure – kurz NDGA genannt – ein. In insgesamt 31 Versuchen behandeln sie Embryonen zu verschiedenen Entwicklungszeitpunkten und mit unterschiedlichen NDGA-Konzentrationen.

Das Ergebnis überrascht: Entgegen der Vermutung zeigen die frühen Stadien weder Defekte bei der Gastrulation, einem frühen Stadium der Embryonalentwicklung, noch beim Schluss des Neuralrohrs, der embryonalen Anlage des zentralen Nervensystems. Ganz anders die etwas älteren Stadien: Hier finden Dick und Heinrich regelmäßig Frosch-Embryonen ohne Pigmentierung. Sogar Embryonen, die bereits Pigmente gebildet haben, verlieren nach einer Behandlung mit NDGA wieder ihre Färbung.

Nun stellt sich die Frage, ob die gesamten Pigmentzellen fehlen oder nur die Pigmente selbst. Um das herauszufinden, führen die Studierenden eine sogenannte In situ-Hybridisierung durch, ein Verfahren, mit dem man die Aktivität der für die Pigmentzellen zuständigen Gene ermitteln kann und damit auch die Existenz dieser Zellen selbst. Es zeigt sich, dass die Gene auch mit NDGA-Behandlung aktiv sind, Pigmentzellen sind also vorhanden. Die Schlussfolgerung der Studierenden: Dynamitin beeinflusst ganz spezifisch die Konzentration des Pigments in den Zellen.

Text: Elsner

Humboldt-Projekt: Dynamitin – wie „explosiv“ ist seine Rolle während der Embryogenese?
Studierende: Advaita Dick, Nicole Heinrich
Projektbetreuer: Philipp Vick
Laufzeit: 26.10.2015 – 30.9.2016


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