Web-Wahlkampf und Social Media: Studierende forschen über Wahlkampf im Netz [23.08.17]
Fakten & Menschlichkeit kommen an – Anbiedern nicht: Wie Social-Media-Auftritte von Politikerinnen und Politikern von jungen Leuten wahrgenommen werden – und welche Rolle das Internet für die politische Meinungsbildung spielt, haben 10 Hohenheimer Studierende im Rahmen eines Humboldt reloaded-Projekts am Lehrstuhl für Marketing und Business Development untersucht.
Schnappschuss mit Rapstars, witzige Meme-Bildchen – oder doch lieber Fakten und Statements zum Wahlprogramm? Junge Internetnutzer bevorzugen Letzteres, wenn es um den Bundestagswahlkampf 2017 in den sozialen Medien geht. Auch Erklärvideos und aktive Stellungnahmen zu politischen Themen kommen gut an. So ein lautet ein zentrales Ergebnis der Umfrage, die die Studierenden im Rahmen des Humboldt reloaded-Seminars durchgeführt haben.
„Die jungen Nutzer möchten von Politikern nicht bespaßt werden, sondern handfeste Informationen und ein professionelles Auftreten“, fasst Studienbetreuerin Iris Pöschl vom Lehrstuhl für Marketing und Business Development zusammen. Private Familienfotos preiszugeben oder mit angesagten Bands zu posieren ist deshalb nicht unbedingt nötig.
Aber: Steif und unnahbar dürfen die Politikerinnen und Politiker dabei auch nicht rüberkommen, betont der Leiter des Lehrstuhls Prof. Dr. Markus Voeth. „Menschlichkeit und Nahbarkeit sind der jungen Zielgruppe wichtig. Dabei gilt es aber dennoch, authentisch zu wirken. Diesen Spagat müssen Politiker auch in den sozialen Medien schaffen."
Das, glaubt Pöschl, hat auch mit Glaubwürdigkeit zu tun: „Viele der Befragten gaben an, dass sie Informationen aus den sozialen Medien wenig Vertrauen entgegenbringen. Wer hier als Politiker mit einem allzu verspielten Auftritt daherkommt, verstärkt dieses Misstrauen noch: Die Wähler sind dann erst recht unsicher, was stimmt und was nicht.“
Internet ist Informationsmedium Nummer 1 für politische Themen
TV-Debatte hin, Tageszeitung her: Wähler unter 40 Jahren informieren sich vor allem im Internet, wenn es um politische Themen geht. Für über 80 Prozent der Befragten stehen Webseiten, Blogs und Soziale Medien in punkto Information an erster Stelle. Zentrale Themen sind für sie dabei Bildungs- und Außenpolitik sowie die Situation am Arbeitsmarkt.
An zweiter Stelle folgt das Fernsehen mit Angeboten wie Polit-Talks, TV-Debatten und Nachrichten, auf Platz drei der Austausch mit Freunden, Bekannten und der Familie. Printmedien und Hörfunk schaffen es auf die Plätze vier und fünf. Politische Veranstaltungen wie Parteitage oder Podiumsdiskussionen besuchen nur 12,6 Prozent der jungen Befragten.
Humboldt reloaded – Wissenschaft von Anfang an |
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Das preisgekrönte Projekt der Uni Hohenheim will Studierende durch forschungsnahes Lernen bereits im Bachelorstudium für die Wissenschaft begeistern. Die Studierenden bearbeiten Forschungsfragen in kleinen Teams und werden dabei optimal betreut. |
Die Parteien antworten auf das Informationsverhalten der jungen Wählerzielgruppe mit Wahlkampf-Aktivitäten in sozialen Medien. Besonders wahrgenommen werden diese auf Facebook, Twitter und Youtube. Unter den Parteien traten im Internet besonders CDU, AfD und SPD in Erscheinung, die am häufigsten wahrgenommenen Politiker waren Angela Merkel, Martin Schulz und Cem Özdemir.
Mehr Interaktion ist gefragt - wie bleibt offen
Das zweite zentrale Ergebnis der Umfrage: Junge Nutzerinnen und Nutzer halten Interaktion zwar für wichtig, 75 Prozent von ihnen sind selbst jedoch noch nie direkt über soziale Medien mit Politikern in Kontakt getreten. Nur knapp 23 Prozent haben schon einmal einen Beitrag mit „Gefällt mir“ markiert, 10,5 Prozent haben einen Beitrag geteilt, 9,8 Prozent darunter kommentiert, und die Teilnahme an Chats oder Videochats mit Politikern liegt bei insgesamt unter 2 Prozent.
„Junge Nutzer wünschen sich zwar Interaktion, trauen sich aber selbst nicht so richtig, diese anzustoßen oder wissen nicht, wie das gehen soll“, resümiert Pöschl. „Viele Politiker bieten aber auch kaum Angebote, um in Interaktion zu treten.“ Auf beiden Seiten gibt es also ungenutztes Potential.
Weniger als 30 Prozent der Befragten sind selbst Fan oder Follower eines Politikers oder einer Partei in einem sozialen Medium. Bei den meisten von ihnen liegt dies daran, dass sie sich nicht für einen bestimmten Politiker oder eine bestimmte Partei interessieren. Über 20 Prozent dieser Gruppe gaben zudem an, es sei ihnen vor Freunden und Bekannten unangenehm offen zu legen, dass sie einem Politiker oder einer Partei folgen.
Hintergrund zur Umfrage
10 Studierende befragten für die Studie „Bundestagswahl 2017 – Einsatz von Social Media im Parteien- und Kandidaten-Marketing“ 286 Teilnehmer vor allem aus Baden-Württemberg. Mit 42,3 Prozent macht die Altersgruppe der 21- bis 24-Jährigen dabei den größten Anteil aus. Circa 70 Prozent der Befragten hat Abitur oder einen höheren Abschluss. 55 Prozent bezeichnen sich als Wechselwähler.
Text: Barsch
Humboldt-Projekt: Bundestagswahl 2017 – Der Einsatz von Social Media im Parteien-und Kandidaten-Marketing
Projektbetreuerinnen: Anke Degenhart, Iris Pöschl
Laufzeit: Sommersemester 2017