Interview: Drink coffee and drive a Tesla... [23.04.20]
Kann Kaffeesatz zur Mobilität von morgen beitragen? Klingt seltsam, könnte aber möglich sein. Denn mit speziellen chemischen Verfahren lassen sich aus biologischen Restoffen Materialien mit interessanten Eigenschaften für den Einsatz in E-Autos gewinnen. Agrarstudent Martin Junghanns hat im Rahmen von Humboldt reloaded an aktuellen Forschungsfragen am Lehrstuhl für Konversionstechnologie und Systembewertung nachwachsender Rohstoffe mitgeforscht. Seine Begeisterung fürs Thema schlug bei seinem Vortrag auf der Humboldt reloaded-Jahrestagung unmittelbar auf das Publikum und die Jury über. Der Online-Kurier hat den Preisträger in der Kategorie „Bester Vortrag“ für die Artikel-Reihe „Schaufenster Bioökonomie“ im Rahmen des Wissenschaftsjahrs 2020 interviewt.
Bioökonomie steht für eine umfassende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, die Schluss macht mit Erdöl und anderen fossilen Rohstoffen und einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und der Umwelt in den Mittelpunkt stellt. Als zentrales Thema des Wissenschaftsjahrs 2020 steht das Leitthema der Uni Hohenheim derzeit bundesweit im Rampenlicht. Die Uni Hohenheim beteiligt sich mit Themenmonaten, vielfältigen Veranstaltungen und Forschungs-Einblicken: Programm in Hohenheim
Interview mit Humboldt reloaded-Preisträger Martin Junghanns
Hallo Martin, „Drink coffee and drive a Tesla“ – der Projektname klingt ja ziemlich ungewöhnlich. Was verbirgt sich dahinter?
Die Grundidee ist, Biomasse, die ansonsten Abfall wäre, zur Herstellung von Hydrokohle zu verwenden, die dann wiederum als Material für sogenannte Superkondensatoren verwendet wird. Das sind Kondensatoren, die ähnlich wie wiederaufladbare Energiespeicher fungieren und im Bereich E-Mobilität eine wichtige Rolle spielen.
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Im Vergleich zu herkömmlichen Akkus können Superkondensatoren zwar wenig Energie speichern und diese auch nicht besonders lange halten, aber dafür wird die Energie viel schneller abgegeben, was z.B. beim Anfahren sehr wichtig ist. Außerdem ist der Ladevorgang schneller und die Abnutzung extrem gering.
Im meinem Humboldt reloaded-Projekt habe ich ausgelotet, ob es sich lohnen könnte, Kaffeesatz als Ausgangsstoff zu verwenden. Das wäre eine interessante Perspektive: Denn pro Jahr fallen weltweit ca. 8 Mio. Tonnen davon an.
Warum hast du bei Humboldt reloaded mitgemacht und wie hast du das Projekt ausgewählt?
Wissenschaft hat mich schon in der Schule fasziniert. Ich war z.B. in der Schulzeit bei „Jugend forscht“ aktiv und hatte mich im ersten Semester an der Uni gefreut, dass es jetzt richtig losgeht. Als ich in der Forschungsschnupperwoche zum ersten Mal von Humboldt reloaded erfuhr, war deshalb sofort klar: Das will ich machen.
Auf der Suche nach einem Projekt bin zuerst an dem ungewöhnlichen Titel hängen geblieben. Der Info-Text hat mein Interesse weiter geweckt, aber ich dachte mir auch: Na ja, mit Agrarwissenschaft im engeren Sinn hat das eigentlich nicht wirklich viel zu tun, oder?
Letztendlich hat dann aber die Neugier überwogen und ich habe mir ein eigenes Bild gemacht.
Eine gute Entscheidung?
Auf jeden Fall! Das Projekt hat meinen Horizont erweitert und mich richtig in den Bann gezogen. Das lag nicht zuletzt an den tollen Betreuern.
Am Ende hatten meine Experimente auch einige interessante Hinweise geliefert, aber die Ausgangsfrage war noch nicht vollkommen geklärt. Das war für mich wie ein Cliffhanger. Ich wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Der Lehrstuhl hat mir daraufhin angeboten, meine Versuche noch im Rahmen einer Projektarbeit fortzusetzen. Das musste ich mir nicht zweimal überlegen.
Gibt es etwas, das dich im Projekt überrascht hat?
Ich wusste, dass Labor-Arbeit eine wichtige Rolle spielen würde. Dabei hatte ich das typische Bild im Kopf von Menschen mit weißen Kitteln und Schutzbrille, die mit Pipetten über stählernen Tischen hantieren.
Tatsächlich war mein erster Eindruck dann ein ganz anderer: Auf dem Weg zum Labor muss man erstmal durch die Agrartechnikhalle und man begegnet Menschen, die an riesigen Maschinen herumschrauben. Ich dachte mir: Wahnsinn, was hier hinter den Kulissen alles passiert… Auch im Labor selbst ging es nicht nur um biochemische Aspekte, sondern auch um ingenieurwissenschaftliche Fragestellungen. Das fand ich sehr spannend.
Vor allem hätte ich nicht gedacht, dass ich tatsächlich so tief eintauchen würde und gewissermaßen als Teil des Forschungsteams aufgenommen werde.
Wie genau lief das Projekt ab?
Zuerst haben mich die beiden Projektbetreuer unter die Fittiche genommen und haben mir gezeigt, an welchen Themen sie aktuell forschen und wie mein Projekt damit zusammenhängt. Insbesondere haben sie mich mit dem Verfahren der hydrothermalen Karbonisierung vertraut gemacht.
Was hat es damit auf sich?
In der Natur dauert es Jahrtausende bis organische Stoffe in Braunkohle umgewandelt werden. Im Labor lässt sich eine ähnliche Umwandlung innerhalb kürzester Zeit erreichen. Einfach gesagt wird der Ausgangsstoff zusammen mit Wasser und einem Katalysator in druckdichtes Reaktionsgefäß gegeben und in einem Ofen erhitzt. Der hohe Druck und die Temperatur versetzen das Wasser schließlich in einen unterkritischen Zustand, was den Prozess der Verkohlung in Gang setzt.
Mit Unterstützung eines Hiwis konnte ich mit dieser Methode dann relativ schnell selbst Experimente durchführen. Dabei habe ich nicht nur mit Kaffeesatz als Ausgangsmaterial experimentiert, sondern zum Vergleich auch mit Bäckereiabfällen. Außerdem habe ich die Prozessparameter variiert: Mal habe ich Harnstoff hinzugefügt, mal nicht, mal habe ich bei 180°C karbonisiert, mal bei 200°C oder 220°C.
Auf der Humboldt reloaded-Jahrestagung hast du die Jury mit deinem Vortrag beeindruckt. Wie war es für dich an dieser Tagung teilzunehmen?
Für mich hat es die Erfahrung abgerundet. Während des Jahres habe ich gelernt, wie man ein Projekt designt, wie man Versuche aufbaut und durchführt. Bei der Tagung ging es dann darum, die Ergebnisse zu präsentieren und andere Menschen für das Thema zu interessieren. Ich denke, auch dieser Teil ist für die Wissenschaft unverzichtbar.
Da ich ohnehin so tief drin war im Thema, war die inhaltliche Vorbereitung für den Vortrag nicht besonders aufwändig. Eine gewisse Herausforderung bestand darin, dass der Vortrag auf Englisch gehalten werden sollte. Auch das war aber letztlich eine super Übung.
Über die Auszeichnung habe ich mich riesig gefreut. Überhaupt bin ich sehr dankbar für alles, was ich in diesem Projekt mitgenommen habe. Humboldt reloaded kann ich daher allen nur wärmstens ans Herz legen!
Interview: Leonhardmair