Kartell-Kontrolle: Unternehmen auf die Finger geschaut  [27.04.17]

Kartellrecht – was für den Laien ziemlich trocken klingt, kann spannend wie ein Krimi sein. Das Kartellrecht überprüft Kartelle und soll dafür sorgen, dass kein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung missbraucht. Das ist in der Praxis oft nicht so einfach wie es klingt – und die Politik hat da auch noch ein Wörtchen mitzureden. In einem Humboldt-Projekt erarbeiten Studierende die Hintergründe zu drei brandaktuellen Kartellrechts-Themen.

Foto: Universität Hohenheim / Oskar Eyb


Fusion Edeka und Tengelmann – Ministererlaubnis doch kein Ausweg


Markus Rybol beleuchtet ein Thema, das auch in den Medien 2015 und 2016 hohe Wellen schlägt: Den Zusammenschluss von Edeka und Tengelmann. Der Student schickt Anfragen an das Bundeskartellamt, um detaillierte Informationen zu bekommen, und an die beteiligten Unternehmen, um deren Meinung anzuhören.

Im November 2014 melden Edeka und Tengelmann sich beim Bundeskartellamt – Edeka will die 451 Tengelmann-Filialen übernehmen. Doch das Bundeskartellamt legt im März 2015 sein Veto ein. Nun bleibt den Unternehmen noch eine letzte Möglichkeit, den Zusammenschluss zu verwirklichen: Die Ministererlaubnis.

Und die kommt tatsächlich: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel gibt grünes Licht für die Fusion. Möglich ist eine solche Erlaubnis, wenn die Fusion dem Allgemeinwohl so sehr zugute kommt, dass dies die wettbewerblichen Effekte aufhebt. Im Falle Edeka /Tengelmann begründet Gabriel seine Entscheidung damit, rund 16.000 Arbeitsplätze der Tengelmann-Mitarbeiter auf diese Weise zu retten.

Humboldt reloaded – Wissenschaft von Anfang an

Das preisgekrönte Projekt der Uni Hohenheim will Studierende durch forschungsnahes Lernen bereits im Bachelorstudium für die Wissenschaft begeistern. Die Studierenden bearbeiten Forschungsfragen in kleinen Teams und werden dabei optimal betreut.


Doch ein Happy End bleibt den Unternehmen verwehrt: Im Juli 2016 kippt ein Gericht die Ministererlaubnis, da es Gabriel als befangen ansieht. Wie die Fusion der Handelsunternehmen endet, wird Markus Rybol sicher mit großer Spannung verfolgen.


Bußgelder – warum Kartellverstöße oft nicht geahndet werden


Die hohen Geldbußen für Kartelle sorgen immer wieder für spektakuläre Nachrichten. Doch nicht alle Unternehmen müssen diese Strafe auch bezahlen, was die Verbraucher und die Rechtsprechung ärgert. Die Studentin Vivien Ahrendt geht dem Phänomen auf den Grund.

Durch geschickte Umstrukturierungsmaßnahmen konnten Unternehmen früher relativ leicht die Kartellgeldbußen umgehen. Im Jahr 2013 wurde dann das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen novelliert, wodurch einige Gesetzeslücken geschlossen wurden. Das betraf insbesondere Lücken in der Haftung bei Unternehmensnachfolgen im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Jetzt können sich Unternehmen durch die Maßnahmen Verschmelzung, Aufspaltung und volle Vermögensübertragung einer bußgeldrechtlichen Haftung nicht mehr entziehen.

Bei Ausgliederung, Abspaltung oder Einzelrechtsnachfolge haftet der Rechtsnachfolger allerdings nicht, diese Gesetzeslücke besteht nach wie vor. Jetzt steht ein Lösungsansatz zur Debatte, der sich an das europäische Recht bei der Konzernhaftung anlehnt. Momentan unterscheiden sich das deutsche und das europäische Recht darin, welche Unternehmen in die Bußgeldhaftung für Kartellverstöße einbezogen werden, und wie die Rechtsnachfolge zu bewerten ist. Ob sich künftig die Rechtsgrundlage in Deutschland ändert, gilt abzuwarten.


Schiedsvereinbarungen – auch im Sport kartellrechtlich ein Problem


Die Wettbewerbsaufsicht wird durch viele Faktoren erschwert. Einer davon sind sogenannte Schiedsvereinbarungen. Das sind Vereinbarungen von außerordentlichen Schiedsgerichten, die vertragsbasierte Streitigkeiten lösen sollen. Mit diesem Thema befasst sich Mario Brian Müller in seinem Humboldt-Projekt – anhand des aktuellen Falles der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein.

Schiedsvereinbarungen kommen in sehr vielen internationalen Handelsverträgen vor – aber auch im Sport. Die Sportler stimmen einer Schiedsvereinbarung mit ihrem Sportverband zu, bei der sie sich der Gerichtsbarkeit des Internationalen Sportgerichtshofs unterwerfen.

Für den Wettbewerb ist es wichtig, dass alle Parteien freiwillig die Schiedsvereinbarungen eingehen und das Verfahren Mindeststandards erfüllt. Das betrifft vor allem die richterliche Unbefangenheit und die Gleichbehandlung der Streitparteien. Ist dies nicht der Fall, kann der Gesetzgeber allerdings nur mittelbar Einfluss auf das Schiedswesen nehmen.

Im Humboldt-Projekt stellt Müller die deutsche und europäische Gesetzgebung und Rechtsprechung diesbezüglich auf den Prüfstand. Er prüft, ob die Kartellschiedsgerichtsbarkeit vom Gesetzgeber im Rahmen des Möglichen gefördert wurde.

Der Pechstein-Fall stellt die Problematik anschaulich dar. Pechstein klagte 2009 vor dem Internationalen Sportgerichtshof gegen eine Dopingsperre. Nun geht es um die Frage, ob diese Schiedsvereinbarung kartellrechtlich wirksam oder unwirksam ist.

Text: Elsner

Humboldt-Projekt: Aktuelle Themen des Kartellrechts

Teilprojekt: Edeka/Tengelmann – Letzte Ausfahrt Ministererlaubnis?
Studierender: Markus Rybol
Projektbetreuer: Jürgen Schneider
Laufzeit: 26.10.2015 – 30.09.2016

Teilprojekt: Umgehung von Kartellgeldbußen durch Umstrukturierung
Studierende: Vivien Ahrendt
Projektbetreuer: Jürgen Schneider
Laufzeit: 26.10.2015 – 30.09.2016

Teilprojekt: Die kartellrechtliche Unwirksamkeit von Schiedsvereinbarungen
Studierender: Markus Rybol
Projektbetreuer: Mario Brian Müller
Laufzeit: 26.10.2015 – 30.09.2016


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